4 Tipps um deine Mobilitätsroutine zu einer integralen Praxis zu machen
Wenn du dein Training nur auf die körperliche Komponente beschränkst, lässt du viel Potential auf der Strecke. Dein Training trainiert nicht nur deinen Körper, sondern auch mentale Aspekte. Die Vernetzung verschiedener Komponenten nenne ich eine „integrale Praxis“. Das Schöne ist, dass du dafür nicht mehr Zeit brauchst, aber enorm viel mehr Benefits hast. Ich stelle dir hier das „Wie“ hinter dem „Was“ vor und was du davon hast.
Fokus, Achtsamkeit und Präsenz
Fokus ist eine Superpower im 21. Jahrhundert, um im Informationsdschungel und einer Welt voller Ablenkungen nicht verrückt zu werden.
Fokus lässt sich trainieren wie ein Muskel. Beziehungsweise lässt sich Fokus auch beim Bewegungstraining trainieren. Dafür müssen wir gar nicht unbedingt ein extra Fokustraining machen, sondern einfach mit der Intention des Fokus‘ an unser Training treten.
Wenn dein Fokus nicht ausreicht, um dein Training ohne Ablenkung durchzuziehen, dann wird auch der Fokus in Gesprächen mit Freunden, auf Arbeit oder beim Essen stark begrenzt sein. Erkennst du dich wieder?
Nimm dir vor, in deinem Training ganz präsent zu sein. Ohne Ablenkung, nur du, dein Körper und die Stimme in deinem Kopf. Oder ich im Video.
Um dir den Einstig zu erleichtern, gestalte deine Umgebung so, dass du möglichst wenig Versuchungen hast. Lege dein Handy weg und benutze einen analogen Timer, falls er für dein Training erforderlich ist. Suche dir einen Trainingsplatz, der ablenkungsarm ist. Draußen in der Natur gibt es beispielsweise oft wesentlich weniger Störfaktoren.
Plane deine Zeit als Termin ein, indem du nicht gestört werden darfst. Nimm keine Anrufe oder Nachrichten an: In einem Meeting würdest du das ja auch nicht tun.
Letztlich solltest du dir vor der Trainingseinheit ein paar Fragen stelle. Was erwartest du von der Einheit? Was möchtest du über deinen Körper lernen? Die Antworten bekommst du während der Bewegung aus deinem Körper. Du musst nur zuhören und darfst dich nicht ablenken.
Nehme dir vor, jeder Wiederholung und jedem Satz deine volle Achtsamkeit zu schenken. Achtsamkeit bedeutet, zu beobachten und nicht zu bewerten. Spürst du Schmerzen oder Spannungen, solltest du diese Impulse natürlich trotzdem bewerten und dein Training eventuell entsprechend anpassen. Nutze deine Pausen, um in deinen Körper hineinzuhören und eventuell Mobilitäts- oder Assistenzübungen auszuführen, die dein Training fördern.
Aus Gewohnheit wirst du immer wieder die Tendenz haben, dich abzulenken und zu flüchten. Setze dir die feste Intention, nicht zu fliehen, sondern dich mit deinem Training auseinanderzusetzen und es voll zu genießen. Komm immer wieder zurück zu dir.
Du wirst erstaunt sein, wie viel du plötzlich über die Bewegungen, Übungen und deinen Körper lernst. Wie du Zusammenhänge erkennst und erfährst, was dir wirklich guttut. Wenn du nicht präsent bist, holst du nur einen Bruchteil aus deinem Training heraus.
Nach der Praxis solltest du dir kurz die Zeit nehmen, in dich hineinzuhören und reflektieren. Hast du Schmerzen gehabt? Was hat sich besonders gut angefühlt? Was hast du gelernt? Was nimmst du dir für die nächste Einheit vor?
Mit der Zeit wird die achtsame Praxis zu einer Gewohnheit werden und wieder zu deiner wahren Natur.
The Bigger Picture: Du kannst diese Präsenz und den Fokus in allen anderen Aktivitäten übertragen. Sieh dein Kraft-, Ausdauer- oder Beweglichkeitstraining also als Fokus- und Achtsamkeitstraining. Deine Beziehungen, Produktivität auf Arbeit und anderen Hobbys werden von mehr Tiefe profitieren. Dass ist die Essenz eines ganzheitlichen, integrierten Lebensstiles: Alles ist miteinander verbunden. Wie Du eine Sache machst, machst Du alle Sachen.
Haltung und Lächeln
Ist dir schonmal aufgefallen, wie sich deine Körperhaltung verändert, wenn du schlecht draufbist? Eingerollt, kaum atmend, Kopf hängend. Technisch gesprochen: Sehr stark in der Flexion?
Wenn du hingegen voller Energie und Freude bist, stehst du groß und offen, lächelst und strahlst Präsenz aus: Extension.
Dieser Mechanismus wirkt in beide Richtungen. Dein mentaler Zustand beeinflusst nicht nur deine körperliche Haltung, sondern deine körperliche Haltung beeinflusst auch deinen mentalen Zustand.
Körper folgt Geist, aber Geist folgt auch Körper.
Du siehst: Körperhaltung ist mehr viel mehr als nur das richtige Übereinanderstapeln von Knochen.
Darauf basiert auch das Konzept des „Power Posings“. Wenn du in einer Haltung wie Arnold Schwarzenegger, mit stolzer Brust und nach oben gerissenen Armen, fett grinsend, verweilst, werden körperliche und mentale Reaktionen folgen.
Eine offene und präsente Körperhaltung macht dich dementsprechend auch offener und präsenter. Ein Lächeln macht dich glücklicher. Amy Cuddy drückt es so aus: “Fake it until you make it”.
Wie kannst du das im Training anwenden?
Im Training neigen wir dazu, Schmerzen als Leid zu interpretieren, uns einzurollen und das Gesicht zu verziehen. Folglich wird dein Körper das Training noch mehr als Bedrohung wahrnehmen. Dein subjektives Belastungsempfinden wird steigen.
Meiner Erfahrung nach sinkt hingegen deine empfundene Anstrengung und damit steigt die Toleranz für den Trainingsreiz, wenn du eine gute Körperhaltung und ein Lächeln beibehältst. Du suggerierst deinem Körper damit Sicherheit. Die Hauptaufgabe deines Gehirns besteht darin, dein Überleben zu sichern. Im Training ist dein Überleben zwar nicht bedroht, aber das weiß dein Gehirn nicht.
Wenn du lächelst und Haltung bewahrst, hast du weniger das Gefühl zu kämpfen, obwohl du genauso viel oder sogar mehr leistest.
The Bigger Picture: Dieses Prinzip kannst du auf alle Situationen in deinem Leben übertragen. Leiden, kämpfen und harte Arbeit haben in unserer westlichen Gesellschaft eine große Anerkennung bekommen. Meiner Meinung nach entspricht das aber lediglich einem Realitätsmodell, welchem du nicht folgen musst. Du kannst mit einem Lächeln und guter innerer und äußerer Haltung ohne Kampf und harte Arbeit mehr erreichen. Arbeit bedeutet nicht Leiden. Loslassen schwächt nicht, sondern setzt Kräfte frei. Falls du den alten Glaubenssatz in dir trägst, verpasse ihm ein Update.
Atmung
Achtest du auf deine Atmung, während du trainierst? Im Optimalfall atmest du unbewusst so, wie die Natur dich geschaffen hat. Im Realfall atmest du allerdings so, wie du es gewohnt bist.
Atmung beeinflusst deinen Körper und Geist. Im Training setzt du dich bewusst starken Stress aus, den du möglichst lange aushalten möchtest, um Nutzen aus dem Training zu ziehen. Das ist die Natur eines Trainingsreizes.
Im Optimalfall beendest du einen Trainingssatz, wenn deine physiologischen Grenzen erreicht sind: Deine Muskeln sind vollständig erschöpft sind und können nichtmehr kontrahieren.
In der Regel erreichst du aber vor dieser Grenze die Kapazität deines Nervensystems. Dein Körper nimmt das Training als akute Bedrohung wahr, durch die es dein Leben bedroht sieht. Es haut praktisch deine Sicherung raus und limitiert deine Leistung.
Mit der Atmung kannst du deinem Körper und Geist suggerieren, dass alles in Ordnung ist. Die „Ich bin sicher“-Atmung ist eine parasympathische, beruhigende Atmung. Du atmest durch die Nase und hältst den Mund geschlossen. Deine Zunge liegt locker am Gaumen hinter den Schneidezähnen. Diese Zungenposition findest du, indem du einmal schluckst. Du fokussierst die Ausatmung, indem du sie leicht verlängerst.
Da ist einfacher gesagt als getan. Versuche diese Atmung so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Wenn du spürst, dass du den Atem anhältst und durch den Mund hechelst, komme möglichst schnell zur beruhigenden Atmung zurück.
Es wird sich anfühlen, als wenn du weniger leistest, aber in Wirklichkeit empfindest du nur weniger Anstrengung und leistet sogar mehr.
The Bigger Picture: Diese Technik kannst du auf alle Stresssituationen in deinem Alltag übertragen. Wenn du im Stau auf dem Weg zur Arbeit stehst, dein Chef dich anschreit oder dir die Kinder auf der Nase tanzen: Erkenne, wie sich deine Atmung beschleunigt und wechsle zur ruhigen Atmung. Durch die Nase mit verlängerter Ausatmung. Du wirst sofort spüren, wie viel Anspannung von dir abfällt und du bessere und klarere Entscheidungen treffen kannst.
Wiederholung schafft Tiefe
Springst du regelmäßig von einer Aufgabe zur nächsten und hast das Gefühl, nie wirklich in die Tiefe gehen zu können?
Wenn wir uns wiederholt der immer selben Aufgabe widmen, haben wir die Chance, jedes Mal etwas Neues zu erfahren. Wenn du beispielsweise jeden Tag dasselbe Training absolvierst, benötigst du keine mentale Energie mehr für die Trainingsplanung. Die Übungen sind klar, sodass dein Körper die Bewegungen schon kennt. Allerdings bist du jeden Tag ein neuer Mensch. Du kannst auch nicht zweimal in denselben Fluss steigen. In jeder Wiederholung kannst du deine freigelegten mentalen und körperlichen Ressourcen auf einen neuen Aspekt lenken beziehungsweise lenken lassen. Du erfährst dabei sehr viel über deinen Körper: Wie deine Tagesform, deine Ernährung, Schlaf, Stimmung oder Kaffee dein Training beeinflussen. Wie dein Geist arbeitet und vieles mehr.
Außerdem wirst du die Bewegungen perfektionieren und ökonomisieren. Du wirst ganz neue Facetten der Bewegungen erkennen.
Wichtig ist deine innere Einstellung. Halte dich offen und kultiviere den Anfängergeist. Tappe nicht in die „Kenn-ich-schon“ Falle, indem du dich jedes Mal neuen Einsichten öffnest.